Tutti-Blassound im Wechsel mit A-cappella
Schon lange versuchen die Blasorchester der Region, ihre Jahreskonzerte dadurch aufzuwerten, dass sie sich nicht nur selbst und allein präsentieren. Einige gruppieren ihren Nachwuchs um sich herum, andere laden sich Gastorchester oder Solisten ein. Das Blasorchester des Musikvereins Viktoria 08 Ober-Roden lockert sein großes Heimspiel mit einem Forum für hoffnungsvolle Jungkünstler auf, die auf dem Sprung sind für eine Teil- oder Vollzeit-Karriere im Musikbusiness.
Dieses Forum ist eine doppelt gute Idee. Es kann den Auftritt der Gastgeber bereichern durch hochkarätige Beiträge noch unverbrauchter, "hungriger" Virtuosen. Und sie, noch No Names, könnten nicht im mindesten ein Publikum für sich interessieren, wie es hier in der Gegend ein Musikverein wie die Viktoria zieht, die auch zu ihrem 34. Weihnachtskonzert wieder eine volle Kulturhalle hatte.
Dieses Mal hatten die Ober-Röder ihre Gäste stark in den Ablauf einbezogen. Das Frankfurt/Groß-Umstädter Schwesternpaar-Doppel Janet und Isabel Krämer und Hayat und Ilham Chaoui hatte in einem Elf-Punkte-Programm immerhin drei Blöcke mit 15 Liedern plus Zugabe.
Man hätte dem Quartett, das seit 1996 besteht und dem Kinderchor des Hessischen Rundfunks entstammt, noch gerne weiter zugehört. So
gefühlvoll, harmonisch reif und stimmlich nahtlos aneinandergefügt hat schon lange keine Gesangsgruppe mehr in der Region ihre Aufwartung gemacht.
"Cantosphäre", wie das Ensemble heißt, ist mit Sicherheit zu Recht in diesem Jahr Bundessieger bei "Jugend musiziert" geworden. Außerdem bekam es den Sonderpreis "Beste Interpretation eines zeitgenössischen Werkes".
Der Eindruck in der Kulturhalle: alle vier Stimmen sind in den tieferen wie hohen Lagen, wo sie besonders viel Potenzial vorzuweisen haben, gleichwertig. So entsteht ein absolut ausgeglichener Gesamtklang. Und: die Timbres der Vokalistinnen passen zu- und ineinander wie die Teile eines Puzzles.
So blieb es nicht aus, dass "Cantosphäre", auch durch die Intensität und die Ausstrahlung der Sängerinnen, deren anrührender bis temperamentvoller A-Cappella-Gesang bis in die hinteren Winkel der Halle drang, den Gastgebern schon ein bisschen die Schau stahlen. Das kam auch am Schluss zum Ausdruck, als Viktoria-Trompeter Karl-Heinz Scholtis seine Begeisterung in Dankesworte fasste und vom Publikum klatschend unterbrochen wurde.
Dabei hatte die Viktoria ihrerseits eine ganze Menge zu bieten gehabt. Zum Beispiel eine gefühlvoll geblasene Oboe oder eine gepfefferte Posaunenriege, die es etwa beim Abba-Medley tüchtig rumoren ließ im Blasorchester-Gebälk.
Nicht zu vergessen die Tuben, die zuverlässig und grundsolide für geradezu anschauliche Atmosphäre gerade bei Klanggemälden wie der "Arche Noah", einem auch rhythmisch
heiklen sinfonischen Werk von Bert Appermont, sorgten. An der Basis unterstützt wurde das schwere Blech stellenweise von einem gestrichenen Kontra- und einem gezupften E-Bass.
Die Trompeten blieben - gruppendienlich - im Tutti-Rahmen, die Hörner ließen den Sound warm hochglimmen, und die Flöten brillierten mit sauber konturierten, glasklaren Läufen. So wurde das von Dieter Weis zusammengestellte und mit kraftvollem Körpereinsatz dirigierte Gesamtangebot der Instrumente, von der Verdi-Würdigung über den Fucik-Marsch bis hin zur Weihnachts-Bescherung, zu einem nicht nur für Fans lohnenden Abend, der die Viktoria weiterhin als ein zur Top-Five in der Musikszene Rodgau/Rödermark gehörendes Blasorchester präsentierte.
Quelle: Offenbach Post




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