Schwermetallenen „Wall of Sound“ aufgebaut
Der Musikverein Viktoria 08 Ober-Roden betreibt seit Jahren die etwas andere Nachwuchs-Präsentation. Während manch andere Vereine ihre mehr oder weniger fortgeschrittenen Jugendorchester aufspielen lassen und damit meist weniger den Kunstgenuss als solchen als vielmehr die stolze Vorführung des Standorts der Schülerensembles beziehungsweise der vorhandenen Eleven-Quantität im Auge haben, bauen die Viktorianer seit langem hoffnungsvollen Nachwuchs und bereits preisgekrönte Newcomer so in ihre Konzerte ein, dass die entsprechenden Programme dadurch nicht nur bereichert werden.
Mitunter sind sie schon regelrecht aufgewertet worden - mit der latent lauernden "Gefahr" für das Blasorchester, "an die Wand gespielt oder gesungen" worden zu sein beziehungsweise zu werden. Und dabei war es in der Vergangenheit nicht primär wichtig, ob die Newcomer aus dem Verein kamen oder nicht. Ihre Qualität war ausschlaggebend für die Auftritte bei der Viktoria.
Dieses Mal, beim 35. Weihnachtskonzert des Ober-Röder Blasorchesters in der restlos ausverkauften Kulturhalle, waren die "special guests" junge Solisten, die, so Moderator Norbert Rink, "ihre musikalische Laufbahn in unserem Verein begonnen haben". Den Anfang machte ein schmales, zierliches, ausgesprochen sympathisches junges Mädchen mit einem großen Waldhorn, Katja Keller, das den 1. Satz aus dem Richard Strauss’schen Es-Dur-Konzert für Horn blies. Dabei wurde spürbar, dass das Mädel bei einer eindrucksvollen Kulisse wie der am Sonntag natürlich schon etwas aufgeregt war und dass ihr Hand- und Mundwerkzeug intonatorisch mit das am schwersten zu bewerkstelligende Blasinstrument ist. Im Solistenablauf folgte mit einem Cecile Chaminade-Concertino für Flöte die größere, ältere Annabelle Paul, die im gleißenden Scheinwerferlicht geradezu aufzublühen schien. Im Ausdruck war sie noch ein wenig verhalten, technisch indes hochversiert.
Ihrer Virtuosität sehr nahe kam auf dem Xylophon nach der Pause Katja Kellers Bruder, Thorsten Keller. Damit sowie mit seiner unbekümmerten Art und dem richtigen, einem publikumswirksamen Stück, Jiri Wolfs "Zirkus Humberto", wurde er unter den Solisten zum heftig bejubelten Publikumsliebling des Abends, nicht zuletzt auch weil der Junge das jüngste Mitglied des Blasorchesters ist und schon über ein solches Können verfügt. Im Anschluss daran erwies sich Viktoria-Jugendleiter Andreas Zöller auf seiner Posaune mit Dennis Armitages "Way Down Blues" als der Ausdrucksstärkste bei den Solisten. Deren Reigen wurde mit gefühlvollem Gesang mittels der stimmungsvollen Standards "Blue Moon" und "Ober The Rainbow" abgerundet. Die Interpretin war die studierte Jazzsängerin und Gesangspädagogin Tanja Schrod, die einst mit der Querflöte begann und sozusagen familiäre Wurzeln bei der Viktoria hat. Dennoch war der Auftritt am Sonntag ihr erster in Ober-Roden.
Die drei Haupt-Solistinnen und ihre zwei Kollegen wurden bei ihren Alleingängen vom Blasorchester begleitet, aus dem auch immer wieder hörenswerte "Teilzeit"-Solisten hervortraten und das seine klanglichen Basislegungen und Ummantelungen stilistisch von zeitgenössischer Klassik bis Jazz und seine dynamischen Schattierungen von einfühlsam bis hochfahrend zu spannen hatte. Programmgestalter Dieter Weis dirigierte es dabei - auch schon mal energisch - auf die entsprechenden Gleise. Seine diesjährige Werkauswahl beinhaltete auch Vorlagen, mit denen sich das Blasorchester gewissermaßen als kompakter Tutti-Solist in Szene setzen konnte. Dabei, mit Franz Suppés "Leichter Kavallerie", Kees Vlaks "Return To Ithaka" und einem Weihnachtslieder-Gebinde, positionierte sich das stattliche Ensemble als eine ausgeglichene Formation, die gegenüber letztem Jahr weiter an Schlagkraft gewonnen hat.
Ihre Highlights waren Aram Khatchaturians berühmter "Säbeltanz" und der "Time Warp" aus Richard O´Brians legendärer "Rocky Horror Picture Show". Bei beiden brillierte allen voran das tiefe Blech - und dabei besonders der Tuben-Verband. Dem phänomenalen "Wall of Sound", den er im "Rocky Horror"-Reißer errichtete, waren auch von den rot glühenden Trompeten, die da reinhalten und dazwischenfeuern konnten, was sie wollten, keinerlei Risse mehr beizubringen. Jede Heavy Metal-Band wäre über diese Tieftöner-Substanz froh und stolz gewesen.
Mit den Zugaben wurden die Viktorianer besinnlich und mit ihnen ihr großes Publikum. Im Rahmen der Danksagungen wurde auch eine Ehrung vorgenommen. Sie erfuhr der musikalische Chef des Orchesters, Dieter Weis, der am Sonntag sein 20. Viktoria-Weihnachtskonzert mit den "08ern" leitete.
Quelle: Offenbach Post
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